Maria Marschall-Solbrig

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Stadtarchiv

Maria Marschall-Solbrig

"Solang ich atme, bin ich Widerhall!"  Die Lyrik der Maria Marschall-Solbrig (1897-1979)

Das Stadtarchiv beherbergt viele Schätze. Einer davon ist der literarische Nachlass von Maria Marschall-Solbrig. Es handelt sich dabei um über rund 550 Gedichte, welche bis auf wenige Ausnahmen noch nie veröffentlicht worden sind. Diesen Schatz zu heben und ihre lyrischen Schmuckstücke zu erforschen, gleicht einer Entdeckungsreise. In den nächsten Heften wird an dieser Stelle eine Auswahl davon ans Licht gebracht werden. Fein säuberlich mit Schreibmaschine abgetippt und durchnummeriert, zeigen sich die fast sechshundert Seiten in A5-Größe gesammelt in einer Mappe. Sie sollen damals schon nach Entstehung im eigenen Freundeskreis von Hand zu Hand gegangen sein. Ein separates Heft listet als Inhaltsverzeichnis nacheinander den Titel bzw. den ersten Vers auf. Ihre Gedichte durchwandert ein lyrisches Ich, welches durchweg mit berührender psychologischer Tiefe spricht. Es wirkt dabei weder abstrakt noch überkandidelt, sondern lebensnah und bodenständig. Trotzdem erfährt jedes einzelne Lied eine künstlerische Schraffur. Auch verwendet Maria Marschall-Solbrig feine Metaphern, wie etwa im Gedicht „Jugend“: „Eine Möwe wirft sich in den Wind, spannt die Flügel kämpfend ihm entgegen“. Auch der Witz fehlt nicht in ihren Versen, zum Beispiel wenn sie jeweils einen Grämlichen, einen Philosophen, Don Juan und einen Verliebten über die Liebe sinnieren lässt. Ihre Zeilen treffen durch ihre heitere und lebensbejahende Grundstimmung, ohne dass sie weltfremd oder blind optimistisch daherkämen. Der Großteil davon ist in Strophenform verfasst, die sich rhythmisch gleichmäßig reimen. Mit sanfter Tonart wollte die Dichterin ihre Leser zum Nachdenken anregen, ihnen etwas mitgeben. Deswegen richtet sich ihre Poesie an alle Menschen, ungeachtet ihrer Herkunft oder Stellung. Neben der lyrischen Singstimme blitzen immer wieder sehr persönliche Themen durch, beispielsweise ein langes Gedicht, um den Tod ihres Vaters zu verarbeiten. Hermann Richard Solbrig war als Pfarrer im sächsischen Frankenberg tätig, wo Maria vor 120 Jahren am 17. Dezember 1897 zur Welt kam. Die Mutter war Clara Alwine Marie Frida geb. Balduan. Eine behütete und christlich geprägte Kindheit schärfte den Blick der angehenden Poetin für soziale Gerechtigkeit und Nächstenliebe, für deren praktizierte Umsetzung sie sich über das Berufsleben hinaus einsetzen wollte. Nach Beendigung der höheren Töchterschule in Chemnitz strebte sie ein Studium der Sozial- und Rechtswissenschaften an. Doch der Ausbruch des Ersten Weltkrieges machte diese Pläne zunichte. Im Elternhaus hatte Maria bereits früh den Zugang zu Büchern und Bildung genossen, sodass sie sich alternativ diese Leidenschaft zum Broterwerb erkor. Nicht nur deshalb finden sich in ihrem literarischen Nachlass Gedichte, die ihren Vorbildern Thomas Mann oder Rainer Maria Rilke zugeeignet sind. Nach erfolgreicher Ausbildung hielt sie 1919 ihr Bibliothekarinnen-Diplom in den Händen. Anstellung fand sie dann bis 1934 in der Stadtbibliothek Leipzig, welche damals noch Leipziger Bücherhallen genannt wurde. Die politische Verdunkelung am Horizont 1914 hatte auch Maria Marschall-Solbrig deutlich gespürt, hier liegen die Ursprünge ihrer Lyrik. Wie eine Leitmarke widmete sie ihr erstes Gedicht dem „Frieden“: „Es geht ein wehes Raunen durch die Welt von herbem, schwerem, unheilbarem Schmerz“. Obwohl weitere Dichtungen folgten, schätzte sie ihr Talent gering ein, tat sie als kleine ‚Schreiberei‘ ab. Dies änderte sich dank der engagierten Ermutigung des bekannten Feuilletonredakteurs der Leipziger Volkszeitung, Gustav Morgenstern. Der Journalist, Übersetzer und später auch Bibliothekar kannte sich mit Wortkunst aus. Vielleicht wurden die schriftstellerischen Spuren der Maria Marschall-Solbrig mit der Zeit verweht, doch zum Vergessen sind sie keinesfalls!

Maren Gündel, Stadtarchiv

 

Winterlicher Tag Über den Feldern die Nebel brauen,

hüllen die Erde in dämmernden Dunst.

Drüber die dichten, silbrigen grauen

Wolken verwehren die himmlische Gunst.

Sonne! Und trotzdem stehst du am blauen

weiten Gewölbe in stetigem Glanz.

Hinter den Wolken, den bergenden grauen

weiß ich dich dennoch und fühle dich ganz.

Maria Marschall-Solbrig