Dr. Friedrich von Heyden

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Stadtarchiv

Dr. Friedrich von Heyden

Von Radebeul in alle Welt

Vom Ruhm der Chemiefabrik Dr. Friedrich von Heyden und dessen Begründer

Jacob Friedrich von Heyden, eine Koryphäe auf dem Gebiet der frühen Salicylsäure-Herstellung und Begründer der über Dekaden währenden Radebeuler Chemie-Industrie, erblickte am 04. Januar 1838, vor genau 175 Jahren, das Licht der Welt. Zunächst schien ihm jedoch die Leidenschaft zu naturwissenschaftlichen Studien nicht unbedingt in die Wiege gelegt worden zu sein. Die Familie der Mutter engagierte sich stark in der Politik und der Vater hatte sich als Schriftsteller einen weithin bekannten Namen gemacht. So schlug der Sohn anfangs eine militärische Laufbahn ein, doch aus gesundheitlichen Gründen verabschiedete er sich vorzeitig von diesem Karriereplan. Nach einer Stellung als Gutsbesitzer nahe Bautzen siedelte er nach Dresden über und beschloss, der bereits seit Jugendtagen bohrenden Neugier nach Naturwissenschaften nachzugehen. Im gestanden Alter von 33 Jahren tauschte er daher den Geschäftsschreibtisch mit dem Studierpult und begann, trotz anfänglicher Zweifel seines Professors, ein Chemiestudium an der Dresdner Universität. Keiner der beiden bereute dies je, denn beispiellose Hochbegabung und "heiliger Ernst mit (dem) Studium" ermöglichten dem jungen Chemiestudenten, nach nur 2 Jahren den Doktorhut tragen zu dürfen. Doch wohin mit dem ganzen Wissen? Geheimrat Prof. Kolbe aus Leipzig hatte sich seinerseits eingehend mit der Salicylsäure beschäftigt, ein Forschungsfeld, welchem sich von Heyden begeistert dazugesellte. In seinem Dresdner Wohnhaus musste die Küche als Kombüse und gleichsam als behelfsmäßiges Labor herhalten, doch binnen kurzer Zeit vermochte er es, Salicylsäure selbstständig herzustellen. Eine bahnbrechende Sensation, denn noch nie zuvor war es auf der Welt gelungen, ein organisch-chemisches Heilmittel auf künstlichem Wege hervorzubringen!

Bereits seit Jahrhunderten kannte man die wohltuende Wirkung von Weidenextrakten bei Fieber, Rheuma und Gicht, und als man schließlich Salicylsäure in der Weidenrinde nachweisen konnte, schrieb man den heilenden Effekt dieser speziellen Substanz zu. Schnell fand von Heyden Käufer für seine reine Materie, was wiederum eine größere Produktionsstätte nötig machte. Damals noch geringer Bodenpreis, das anliegende und gut ausgebaute Eisenbahnnetz, die Nähe zu Dresdens Stadtgrenze sowie die weitläufige Freifläche an der Meißner Straße 35 ließen die Wahl auf Radebeul fallen. Im Januar 1874 startete der Betrieb. Unermüdlich arbeitete der fähige Chemiker fortan am Ausbau der neuen Fabrik, investierte fast sein gesamtes Privatvermögen und trug dabei das volle Risiko. Immerhin wütete gerade ein Krieg in Europa und die Wirtschaftslage war angespannt. Doch militärische Auseinandersetzungen sollten sich sehr positiv auf den Absatz auswirken, denn das Präparat wurde zunehmend als antiseptisches Wundbehandlungsmittel eingesetzt. Auch die Möglichkeit der Konservierung von Nahrungsmitteln durch Salicylsäure vergrößerte die Verkaufszahlen. Sogar die Tierheilkunde entdeckte das Medikament für sich. Man kann davon ausgehen, dass es bereits im ersten Jahr der Einführung keine Apotheke im damaligen Reichsgebiet gab, die nicht das Wundermittel aus der Lößnitzstadt vorrätig gehabt hätte.

Nach dem deutschen Sprachraum eroberte die Radebeuler Salicylsäure die Welt. Abnehmer kamen aus England, Russland, Belgien, Holland, Skandinavien, Dänemark sowie aus überseeischen Ländern wie Amerika und Japan. Nach nur 3 Jahren hatte sich die verkaufte Kilomenge versechsfacht. Dieser enorme Erfolg rief freilich auch Neider auf den Plan, gegen welche sich von Heyen in jahrelangen Patent-Rechtsstreitigkeiten zur Wehr zu setzen hatte. Der energische Vorkämpfer gewann jede einzelne Verhandlung. Doch die ereignisreichen Jahre und permanenten wissenschaftlichen Studien forderten alsbald ihren Tribut. 1885 sah sich von Heyden aus Rücksicht auf seine Gesundheit gezwungen den Betrieb an zwei würdige Nachfolger zu verkaufen.

Dank von Heydens ausdauerndem Eifer, Krankheiten zu heilen, für die es bisher weltweit kein gleichwertiges Mittel gegeben hatte, spielte er eine entscheidende Rolle in der Geschichte der modernen Medizin. Die Fabrik wurde in seinem Sinn weitergeführt; Ausdehnung, Angebot sowie Ansehen sukzessive vergrößert und avancierte so zu einem der wichtigsten Chemie-Standorte der Neuzeit.

Maren Gündel, Stadtarchiv

Quelle: Chemische Fabrik von Heyden. Erinnerungsblätter aus 6 Jahrzehnten.

Bildquelle: Gesellschaft Deutscher Chemiker

Erschienen in: Amtsblatt Radebeul im Januar 2013