Ausbruch des Ersten Weltkrieges vor 100 Jahren im August 1914

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Stadtarchiv

Über die Mobilmachung zum Ausbruch des 1. Weltkrieges im August 1914 in Radebeul

Am 01. August 1914 prangte es in großen schwarzen Lettern vom Titelblatt des Kötzschenbrodaer Generalanzeigers: "Seine Majestät der Kaiser hat das Reichsgebiet in Kriegszustand erklärt." Die Mobilmachung im Elbland am Beginn des Ersten Weltkrieges umfasste vielfältigste Maßnahmen und Verordnungen, welche sich auf Rüstung, Organisation sowie 'In-Bewegung-setzen' sämtlicher hiesiger Streitkräfte konzentrierten und gleichsam Bevölkerung, Infrastruktur und Wirtschaft betrafen. Eine Vielzahl dieser Anordnungen sowie geheime Korrespondenz finden sich lebhaft in einer Akte überliefert, in welcher sich unter dem schlichten Titel "Mobilmachung 1914" der Umsturz einer bis dahin bekannten Welt verbirgt.

Bereits am 31. Juli 1914 stellt der kommandierende General klar: "Die vollziehende Gewalt geht hiermit auf mich über. [] folgende mit lebenslänglichem Zuchthaus bedrohte Verbrechen (werden) von nun an mit dem Tode bestraft: Hochverrat, Landesverrat, Brandstiftung [], vorsätzliche Zerstörung oder Beschädigung von Eisenbahnanlagen [] so werde ich unverzüglich den verschärften Kriegszustand und alle mir alsdann zu Gebote stehenden Mittel unnachsichtlich zur Anwendung bringen."

Kaiser Wilhelm II. lässt folgende Sicht der Dinge mitteilen: "Eine schwere Stunde ist über Deutschland hereingebrochen. Neider überall zwingen uns zur gerechten Verteidigung. Man drückt uns das Schwert in die Hand."

Hybris durchdrang das deutsche Volk ebenso wie die Überhöhung von Kaiser und Militär. Für den Fall der Fälle warteten bereits seit Wochen und Monaten ganz konkrete Maßnahmen zur Mobilmachung in den Schubläden der hiesigen Gemeindeämter. Einer der ersten Schritte regelte die allgemeine Logistik, was z.B. Einschränkungen im Eisenbahnverkehr bedeutete. Die Grenzen wurden abgeriegelt, Benzin durfte fortan bis auf Widerruf ausschließlich vom Militär getankt werden. Eisenbahnstrecken und Telegraphensysteme wurden mit Schießbefehl bewacht.

Der 02.08.1914 markierte den ersten Tag der Einberufung von Artillerie und Kavallerie. Die Gemeinde hatte zudem Pferde und -wagen mitsamt vollständiger Beschirrung sowie Ausrüstung auf dem Reitplatz der Militärreitanstalt Dresden-Albertstadt für eine Aushebung vorzuführen. In einem nicht-öffentlichen Schreiben vom März 1914 wurde angeordnet, jene Personen zu bestimmen, welche dieser Abgabe nachzukommen hatten, diese aufzulisten und anzuschreiben. Die Abgabepflichtigen konnten nach Antragstellung und Siegelung eine Entschädigungssumme erhalten. Nach und nach wurden immer mehr Pferde zum Nachschub gefordert. Da diese nun auf den Äckern fehlten, suchte man sich mit Kühen als Spanntiere zu behelfen. Gleichzeitig musste angegeben werden, welche Mengen an Gütern überzählig und damit an die Heeresverwaltung abgabepflichtig waren.

Ein Brief eines Radebeuler Industrieunternehmens an die Gemeinde zeigte deren schwierige Lage auf: Verlust der Exporteinnahmen, Wegfall von Rohstofflieferungen, fällige Rechnungen etc.

Parallel dazu erhielten Gastronomen sowie Einrichtungen, die Alkohol verkauften, ein Verbot zum Ausschank "geistiger Getränke" für bestimmte Tageszeiten, um die Mobilmachung nicht durch Betrunkene zu beeinflussen.

Besonderes Augenmerk galt der hiesigen Presse. Ein geheimes Schreiben informiert, dass alle Tageszeitungen mündlich und vertraulich angewiesen werden, keine "Preßangriffe gegen England" zu verbreiten, die gegebenenfalls negativ ausgelegt werden und damit Anlass zur Verstimmung gegenüber Deutschland geben konnten. Denn bis zum 04.08.1914 hatte sich Großbritannien noch nicht positioniert und man hoffte, es könne sich doch noch auf die deutsche Seite stellen. Daneben wurden Abdrucke sämtlicher militärischer Informationen sowie chiffrierte Annoncen verboten. Letzteres hatte jedoch starke negative Auswirkungen auf die Gewerbetreibenden, sodass sich auf einen Kompromiss zwischen Nummern und Buchstaben in den Chiffren geeinigt wurde.

Eine ganze Reihe von Gesetzen traten ad hoc in Kraft, die beispielsweise Krankenkassen, Kredite und Rechnungswesen, Behinderte, Kriegsversorgung zurückgelassener Familien oder Höchstpreise betrafen. Dresden entschied sich gegen eine Festsetzung von Höchstpreisen, da sich diese schnell zu Normalpreisen einbürgern konnten, und außerdem die ersten Not-Hamster-Käufe rückläufig waren. Bei einer Preis-Fixierung hätten minderwertige Waren zu überteuerten Preisen verkauft werden können und genau davor sollte die Bevölkerung ja bewahrt werden. Deshalb sah man auch in Radebeul von festgelegten Höchstpreisen ab.

Schließlich wehten allerhand Aufrufe mittels Plakaten und Flugblättern an die Einwohner; gegenüber den Männern: Aufruf zur Front; gegenüber den Frauen: Aufruf zur Heimatfront; Kriegsveteranen hatten sich zu melden, um die Ausbildung der jungen unerfahrenen Frontkämpfer zu übernehmen und gegenüber dem Rest: Aufruf zu Landwehr bzw. Landsturm.

Traurige Bilanz zum Kriegsende 1918: Weltweit hatten rund 9 Millionen Soldaten sowie fast 6 Millionen Zivilisten ihr Leben verloren, rund 19 ½ Millionen wurden verwundet und circa 6 ½ Millionen gerieten in Kriegsgefangenschaft.   

Maren Gündel, Stadtarchiv

Erschienen in: Amtsblatt August 2014