Rede des Oberbürgermeisters im Stadtrat am 21.09.2022 zum Beginn der neuen Amtsperiode

Donnerstag, den 22.09.2022

  • Ob Bert Wendsche

Mit der heutigen Verpflichtung im Stadtrat hat das Verfahren zum Beginn meiner neuen, meiner vierten Amtsperiode nunmehr seinen Abschluss gefunden. Ich möchte die Gelegenheit nutzen nochmals allen meinen Wählerinnen und Wählern, allen meinen Unterstützern im und außerhalb des Stadtrates und vor allem auch meiner Frau, meiner Familie und meinen Freunden zu danken. Das Ergebnis gibt angesichts seiner Eindeutigkeit Kraft und Rückenwind für Kommendes.

Sie alle können sicher sein, dass so wie auch in den vergangenen Wahlperioden das Wohl der Stadt Radebeul für mich im Mittelpunkt des Handelns steht. Dabei soll und darf es nicht um kurzfristige Effekthascherei gehen, sondern um die langfristig und nachhaltig positive Entwicklung unserer Stadt. Radebeul soll auch weiterhin eine Stadt für Alt und Jung, für Reich und Arm, für hier Geborene und Zugezogene sein. Menschliche Wärme, bürgerschaftliches Engagement, Generationengerechtigkeit, das Leitbild des mündigen Bürgers sowie der Respekt vor den verfassungsrechtlichen Freiheitsrechten sind dabei Eckpunkte des Handelns.

Bereits beim Fixieren meines Wahlmottos „Bildung, Wirtschaft, Chancen & Gerechtigkeit“ waren mir die Herausforderungen eines schwieriger werdenden gesamtgesellschaftlichen Umfeldes bewusst. Hier seien beispielhaft die von mir bereits seit mehreren Jahren mahnend ins Bewusstsein gerufene demografische Herausforderung oder die immer weiter um sich greifende gesamtgesellschaftliche Verschuldung zu nennen. Es ist doch geradezu absurd, dass in Deutschland nahezu alle sozialen Sicherungssysteme an ihrer Belastungsgrenze sind und das nicht am Ende, sondern am Beginn einer Wirtschaftskrise.

Doch seit dem Frühjahr haben sich die Randbedingungen, hat sich das wirtschaftliche Umfeld weiter deutlich eingetrübt. Seien es die Folgen des russischen Angriffskrieges, die dramatische Energiekrise, die weiterhin stotternden Lieferketten oder die immer weiter steigende Inflation zu der sich nun auch noch rasch steigende Zinsen gesellen.

Umso mehr gilt es, dass wir in Radebeul zusammenstehen, demokratisch und in Meinungsvielfalt, Respekt und Toleranz um den besten Weg für unsere Stadt ringen. Es gilt jeden Tag und immer wieder „Brücken bauen, statt Gräben vertiefen“. Mit einer soliden Haushaltspolitik und einer aktiven Bürgerschaft haben wir wichtige Fundamente gelegt und befördert. Diese  bieten uns eine reelle Chance, den Stürmen zu trotzen. Es liegt daher vor allem auch an uns selbst, nicht zuletzt hier im Stadtrat.

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Allerdings ist das derzeitige Agieren auf Bundesebene wenig förderlich.

Wir stecken in einer dramatischen Energiekrise und wir hatten schon davor, in meinen Haushaltsreden wies ich wiederholt darauf hin, die mit Abstand höchsten Energiepreise in Europa. Eine immense Belastung für Bürger und Unternehmen, ein immenses Risiko für den Industriestandort Deutschland. Anstatt nun in einer derart außergewöhnlichen Situation alles zu unternehmen, um die Breite des Energieangebotes so groß wie möglich zu halten und alle zusätzlichen politischen Preistreiber einzudämmen, passiert leider das Gegenteil. Da werden zum Jahresende weitere ca. 7 Prozent des Stromangebotes mit der Abschaltung der drei letzten AKW vom Markt genommen, da sind erst zwei von geplanten ca. 10 Kohlemeilern aus der Netzreserve wieder im Betrieb, weil der Bund ihren Betrieb nur bis April zulassen will, was das Wiederanfahren für die Betreiber unwirtschaftlich macht. In der Folge wird das Übertragungsnetz immer instabiler. Damit wird im Oktober eine Erhöhung des Übertragungsnetzentgeltes von 3 auf 9 Cent/KWh wohl unvermeidlich sein. Zudem führt die Bundesnetzagentur aktuell eine Anhörung der Netzbetreiber durch mit dem Ziel, die Abschreibungsdauer für Gasnetze von bisher 40 bis 60 Jahren auf ca. 22 Jahre zu verkürzen, weil man um 2045 auch aus dem Gas aussteigen möchte. Die Folge wären weiter steigende Netzentgelte. Ein Teil der derzeitigen Verknappungen und Preisausschläge ist somit hausgemacht.

Anstatt also der Energiekrise mit Marktmechanismen entgegenzutreten und damit an der Wurzel anzusetzen, setzt man weitgehend einseitig auf die Bekämpfung der Folgen. Dies erfordert einen immer größeren Einsatz von Steuermitteln. Dies wird sicher früher oder später zum erneuten Aussetzen der Schuldenbremse führen und damit zum weiteren Gelddrucken zu Lasten zukünftiger Generationen. In der Folge wird die Inflation nicht eingedämmt, sondern weiter befördert.

Und bewegen wir uns bei alledem nicht oft auch reichlich scheinheilig durch die Welt? Da wird in Deutschland Atomkraft als Hochrisikotechnologie abgeschaltet, aber gleichzeitig kaufen wir aus anderen Ländern Atomstrom ein. Da wird in Deutschland Fracking abgelehnt, aber gleichzeitig massiv LNG-Frackinggas im großen Stil importiert. Da wird in Deutschland nur noch darüber gestritten, ob der Kohleabbau 2030 oder doch erst 2038 endet, aber gleichzeitig wird massiv Kohle z.B. aus Kolumbien gegen den dortigen Widerstand der Indigenen eingeführt. Warum muten wir anderen etwas zu um unsere Bedürfnisse zu erfüllen, was wir selbst nicht bereit sind zu geben? Wäre es nicht eine gemeinsame europäische Verantwortung, dass jeder zuerst einmal für die Sicherung seiner Grundlast selbst verantwortlich ist.

Besonders ärgerlich dabei ist jedoch die öffentliche Begleitmusik. Wenn von hochrangigen Politikern in einer solch belastenden für viele schier verzweifelnden Situation der Rat gegeben wird, doch besser zum Waschlappen zu greifen als zur Dusche oder wenn fabuliert wird, wenn ein Bäcker ein paar Wochen zumache, dann sei das keine Insolvenz, dann ist dies nicht nur wenig sensibel, sondern einfach von oben herab gegenüber der Masse der „Normalos“.

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Wir können dies sicher kaum von Radebeul aus beeinflussen, aber wir sollten es offen und ehrlich benennen. Die Menschen und Unternehmen erwarten dies von uns. Sie erwarten, dass wir sie in ihren Ängsten, Zukunftsunsicherheiten, sie mit ihren Herausforderungen verstehen und unterstützen.

Daher gilt es jetzt umso mehr nicht zuerst auf Hilfe von Bund und Land zu warten, diese lautstark einzufordern – so wichtig und richtig dies auch ist –, sondern zuerst einmal kommunale Selbstverwaltung – SELBSTverwaltung – mit Leben zu erfüllen.

Wir in Radebeul müssen zusammenstehen, wir müssen zuerst einmal schauen, was wir leisten und verantworten können, um unsere Stadt, unsere städtischen und bürgerschaftlichen Strukturen, unsere Ehrenamts- und Unternehmemsstrukturen zu wahren. Es gilt sich unterzuhaken. Letztlich gilt es, im positiven Sinne das Bild der Glucke – Sinnbild für Radebeul als Ganzes -, die ihre Jungen – wir alle sind eines dieser Jungen - vor Unheil behütet, mit Leben zu erfüllen.

So erhält das Wahlmotto der Gerechtigkeit eine brandaktuelle Dimension. Im Mittelpunkt müssen dabei die Normalverdiener, die Arbeitnehmer gleichermaßen wie die kleinen und mittleren Unternehmen, stehen. Ohne sie, ohne den Erhalt ihrer Kraft und Leistungsfähigkeit wird es auch für die Schwachen, wird es auch für uns als Stadt zukünftig schwer werden.

Bei aller Eintrübung der Randbedingungen, was sollte beim Gestalten fortan im Fokus stehen?

Da ist zum einen unsere anerkannt gute Bildungsinfrastruktur. Hier muss es uns gelingen, das Konzept der Schulzentren weiter umzusetzen. Dabei stehen neben dem Abschluss der Sanierung des altehrwürdigen Luisenstifts, der Neubau der Oberschule Kötzschenbroda sowie des Hortes der Grundschule Oberlößnitz an erster Stelle.

Im Bereich der wirtschaftsnahen Infrastruktur stehen neben der Fortführung des Baus der Trasse Nach der Schiffsmühle, der weitere Ausbau der Meißner Straße samt Linie 4 und die Schaffung einer attraktiven und leistungsfähigen Anbindung des Gewerbestandortes Fabrikstraße an die Cossebauder Straße im Mittelpunkt. Dies schafft nicht zuletzt weitere Möglichkeiten, Radebeuler Unternehmen Erweiterungs- oder Standortalternativen im Stadtgebiet zu bieten und zudem auch neue Unternehmen anzulocken.

Ja, und nach der feierlichen Inbesitznahme der neuen Drehleiter gilt es jetzt auch, endlich den Gerätehausneubau in Ost für unsere Freiwillige Feuerwehr baulich ins Werk zu setzen. Damit wäre deren Grundstruktur dann zukunftsfest.

Gerade in der aktuellen Situation wird der Spagat zwischen den Haushaltsherausforderungen auf der einen und der Bewahrung bzw. Stabilisierung der städtischen Grundstrukturen auf der anderen besonders fordernd. Dennoch sollten wir vom bewährten Weg des in unserer Hauptsatzung niedergelegten Neuverschuldungsverbots nicht abweichen.

In der Geschichte waren es immer wieder vermeintliche Heilslehren, die vorgaben, sie wüssten wie die Zukunft ist. Die Ergebnisse waren stets fatal. Wir sollten uns eingestehen, dass keiner von uns die Zukunft vorhersagen kann und schon gleich gar nicht die konkreten Schritte dorthin verlässlich weiß. Daher sollte man mit dem Stichwort „Zukunftsinvestition“ als Freibrief für neue Schulden zurückhaltend umgehen. Sollte unsere heutige Entscheidung sich morgen nämlich als falsch erweisen, dann hat die kommende Generation eine Doppelbelastung zu schultern: Sie muss unserer Investitionsentscheidung bewältigen und sie muss diese zudem auch noch bezahlen. Dies ist und bleibt in meinen Augen unverantwortlich.

Lassen Sie uns also die Herausforderung gemeinsam annehmen zum Wohle unserer Stadt – gerade auch weil die vor uns liegende Zeit keine einfache sein wird. Lassen Sie uns unterhaken und Trennendes zurückstellen.

Ja, und stellen wir uns konsequent, den leider auch bei uns bemerkbaren Tendenzen des Ausgrenzen, des Unterdrückens und Behinderns scheinbar „falscher“ Auffassungen entgegen. Eine liberale Demokratie lebt und schöpft gerade Kraft aus der Vielfalt der Meinungen. Sie haben ein Recht geäußert und gehört zu werden, solange sie den verfassungsmäßigen Rahmen nicht verlassen. Die Gedanken, die Worte, die Kultur sind frei. Treten wir offen und klar dafür ein.

Nur mit „Brücken bauen, statt Gräben vertiefen“ werden wir die Herausforderungen meistern. Davon bin ich fest überzeugt. Ebenso wie ich fest davon überzeugt bin, dass die Mehrheit der Radebeulerinnen und Radebeuler diesen Weg mit Überzeugung und Tatkraft mitgehen wird.

Packen wir es an - gemeinsam!

>> Download der Rede zum Beginn der neuen Amtsperiode