Grußwort des Oberbürgermeisters Bert Wendsche

Samstag, den 01.01.2022

Liebe Radebeulerinnen und Radebeuler,

kürzlich hörte ich einen Radiobeitrag, der bis heute in mir nachklingt. Ein Junge fragte seine Mutter, warum Menschen zwei Ohren aber nur einen Mund haben? Nach einer Zeit des Nachdenkens antwortete die Mutter, vielleicht sollte man doppelt so viel hören und nur halb so viel reden. Umso  länger ich darüber nachdenke, umso vertrauter, umso sympathischer wird mir dieser Gedanke. Aber allein mit Hören ist es wohl nicht getan.
Nahezu ein Jeder kann hören, doch es kommt darauf an zuzuhören, hinzuhören. Nahezu ein Jeder kann sehen, doch es kommt darauf an hinzusehen, nicht wegzusehen. Nahezu ein Jeder kann reden, doch es kommt darauf an mitzureden und mitreden meint weder Selbstgespräch noch Schwafeln, weder Anschreien noch Anpöbeln.
Und Zuhören, Hinsehen und Mitreden wiederum können nur gelingen in der Einheit vom Vertrauen in das eigene Ich und dem Respekt vor dem Gegenüber. Nur der, der zuhört, hinsieht und dann erst mitredet, hat die Chance, die Situation und den Anderen zu verstehen. Und nur daraus können wirklich tragfähige Lösungen erwachsen. Nur so kann Miteinander gedeihen, können Vertrauen und Respekt gewahrt werden, nur so kann Gesellschaft funktionieren im Kleinen, wie im Großen.
Was hören wir, wenn wir einen Bekannten treffen und auf die Frage wie es so gehe die Antwort erhalten: „Geht schon“? Hören wir: „Es geht mir gut“? Oder hören wir: „Interessiert Dich das wirklich?“ Oder hören wir „Eigentlich nicht so gut, ich würde gern mit Dir darüber sprechen“? Gehen wir auf diese Botschaft ein?
Allein nur Hören, Sehen oder Reden, ein bloßer Gebrauch der Sinne ist schlicht zu wenig. Es fehlt am Widerhall. Der Weg in Einsamkeit und Egoismus und letztlich in die Spaltung der Gesellschaft wäre vorgezeichnet. Und ein Weg zurück, eine Umkehr würde umso schwieriger, je länger diese Phase andauert. Es ist so leicht, so bequem, wegzuhören und wegzusehen. Das Wiedererlernen der Fähigkeiten des Zuhörens und Hinsehens ist ungleich schwieriger. Lassen Sie es uns dennoch immer wieder aufs Neue versuchen, ich bin überzeugt es lohnt sich!
Menschliches Leid, wirtschaftliche Not, Angst vor der Zukunft, Unsicherheit – die Corona-Pandemie  und ihre Folgen haben uns geprägt und auch verändert, jeden von uns, auf die eine oder andere Weise. Unser Ziel muss es jetzt sein, die geschlagenen Verletzungen und Wunden zu heilen, vor allem auch die gesellschaftlichen. Zuhören ist da ein guter und wichtiger Anfang.
Suchen wir das Verbindende, statt auf das Spaltende zu schauen. Menschen zu verurteilen aufgrund ihres Impfstatus wird die freiwillige Bereitschaft zu dieser Solidarleistung nicht fördern. Ein stetiger, respektvoller Appell dagegen vielleicht schon.
Lernen wir wieder Geduld miteinander zu haben. An dieser Stelle möchte ich meinen Dank und Respekt allen Radebeulerinnen und Radebeulern und ebenso allen Unternehmen ausdrücken, die  tagtäglich Ihr Bestes geben, die Pandemie-Situation möglichst rasch wieder zu verbessern. Ob in den Impfstellen, den Testzentren, den medizinischen Einrichtungen, beim Umsetzen der 3G-Regelung in den Unternehmen, den Kitas, Schulen und Pfl egeeinrichtungen, und und und. Danke!
Ein neues Jahr liegt vor uns und es bringt neben der Pandemie auch wieder viele andere spannende Herausforderungen mit sich. Es ist der Moment im Jahr fürs Pläne schmieden, für Optimismus und die Freude auf das Kommende.
Wenn ich auf 2021 zurückblicke, bin ich erstaunt und erfreut, dass trotz aller Pandemie-Probleme so viel Positives, Neues und Tolles für Radebeul entstanden ist. Ich bin sicher, dies wird uns gemeinsam auch in 2022 gelingen. Mein Plan dafür? Zuhören, Hinsehen und Mitreden!
Ich lade Sie ein – laden wir uns gegenseitig dazu ein. Für uns und unsere Stadt!


Ihr Bert Wendsche,
Oberbürgermeister (parteilos)