Brücken bauen, statt Gräben vertiefen. Am Miteinander führt kein Weg vorbei!

Freitag, den 04.02.2022

Unser bisheriger Weg durch die Corona-Pandemie dauert nun schon fast zwei Jahre an.  Zwischen all den Zumutungen und Herausforderungen haben wir gelernt, dass eine Bewältigung nur miteinander möglich ist. Gegenseitige Rücksicht und Respekt vor der Situation des Gegenübers sind wichtige Voraussetzungen dafür. Nun sind wir jedoch scheinbar an einem Punkt angelangt, an dem wir dies nicht umsetzen (können). Sicher, es liegt in der Natur der Sache, dass es beim Thema Impfpflicht unterschiedliche, ja teils gegensätzliche Ansichten über den richtigen Weg gibt, dass es mitunter auch heftiges Pro und Contra gibt.

Umso wichtiger ist es, dass wir als Stadtgesellschaft zusammenbleiben. Wir müssen dabei unterschiedliche Meinungen äußern und aushalten können. Wir müssen zu einem gemeinsamen Weg des Kompromisses finden.

Erkennen wir an, dass unser Wissen über die Pandemie und den richtigen Weg heraus weiterhin unvollständig und unsicher ist, dass wir täglich dazulernen und auch Fehler machen.

Nehmen wir sie ernst, die Sorgen um eine Spaltung unserer Gesellschaft, um die Last der Brüche in Familien, Freundes- und Arbeitskreisen.

Erkennen wir an, „dass auch wiederholte Beschränkungsschleifen und die fortwährenden Diskussionen darüber die Polarisierung der Gesellschaft verschärfen.“[1]

Daher ist es richtig, wenn die Vorsitzende des Deutschen Ethikrates Frau Buyx betont: „Eine Impfpflicht könne in der derzeitigen Welle nicht helfen, sondern ziele auf den kommenden Herbst. Deshalb sollte sich Deutschland Zeit für eine ausführliche Debatte nehmen.[2] Trauen wir uns auf diesen Weg.

Hatten wir in Zeiten der Pandemie wirklich Verständnis und Respekt für die Belastung des Gegenübers? Verständnis und Respekt vor den Ängsten vor Erkrankung gleichermaßen wie jenen vor dem Verlust des Arbeitsplatzes? Verständnis und Respekt vor der drohenden Überforderung genauso wie vor der Sehnsucht nach Gemeinsamkeit? Verständnis und Respekt vor der Zustimmung zum Impfen genauso wie vor der Skepsis? Wollten wir dies wirklich wissen? Waren wir nicht vielfach einfach froh, wenn es uns nicht traf? Andererseits, ist der Gang auf die Straße nicht auch ein Hilferuf?

Ich bin der Überzeugung, nicht neue Demonstrationen, nicht Belehrungen, Vorhaltungen oder gar Beschimpfungen, nicht Sprachlosigkeit helfen uns in dieser angespannten und allseits belastenden Situation weiter, sondern allein die ausgestreckte Hand.

Es braucht die Brücke und nicht den vertieften Graben.

Lassen sie uns daher im Miteinander das Für und Wider der Impfpflicht diskutieren und nach belastbaren gemeinsamen Wegen suchen - offen, frei und respektvoll. Hören wir einander zu und versuchen einander zu verstehen. Lassen Sie uns gemeinsam einen solchen Ort des Austausches etablieren, im Willen zum gegenseitigen Respekt und im Verzicht auf Hass und Gewalt. Ich lade Sie ein zur gemeinsamen Vorbereitung.

Am Miteinander führt kein Weg vorbei!

Brücken bauen, statt Gräben vertiefen

Bert Wendsche,

Oberbürgermeister

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[1] Deutscher Ethikrat. Ethische Orientierung zur Frage einer allgemeinen gesetzlichen Impfpflicht. S. 19

[1] Ntv, 29.01.2022