Seilbahn zum Bismarckturm?!

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Seilbahn zum Bismarckturm?!

Ein Vertreter der Firma Bleichert, Erbauer von Personen-Seilschwebebahnen, beschäftigt sich mit dem Projekt einer solchen von der Gutenbergstraße aus nach der Gegend vom Spitzhaus - Bismarckturm. Zunächst soll bezweckt werden, die Öffentlichkeit für diese Sache zu interessieren.

Diese Eingabe des Stadtoberbaumeisters an den Stadtrat findet sich als erstes Blatt in einer Archivakte mit dem schlichten Titel "Projekt Schwebebahn" von 1934. Welch eine bemerkenswerte Idee! Mehrseitig mit der Bitte zum Abdruck im Radebeuler Tageblatt führt der Vertreter aus: Impuls für dieses Unterfangen gab der Anschluss der Ursprungsgemeinde Wahnsdorf an Radebeul am 01. April gleichen Jahres mit dem jetzt neu hinzugekommenen Stadtgebiet. Nicht nur Einheimischen, Senioren, Schwangeren oder Müttern mit Kinderwagen sollte eine komfortable Möglichkeit geschaffen werden das Radebeuler Hochland zu erreichen, auch sollte die Region damit touristisch besser erschlossen und belebt werden. Denn schon der Ausblick auf Lößnitzstadt, Elbebstrom oder Dresdens Silhouette seien eine solche Fahrt wert! Zudem müsse man die eigenmächtigen Witterungsbedingungen bedenken: im Winter verwandeln sich steile Straßen zu Glatteis-Rutschpartien, wohingegen heftige Regengüsse sie zu Schlammwegen aufweichen. In beiden Fällen sind sie dann für Fußgänger und Fahrzeuge nur unter äußersten Widrigkeiten passierbar. Eine Bergbahn wäre doch die Lösung. Passanten kämen auf sicherste und schnellste Weise ins Tal zur Straßen- bzw. Eisenbahn und zurück - das Nützliche mit dem Angenehmen sei somit aufs Beste verquickt. Ein Technikwahrzeichen entstünde inklusive. Sowohl Berg- als auch Talstation könnten von Architekten in geschmackvoller Bauweise konzipiert werden. Stützpfeiler würden weniger auffallen, als so manche zeitgenössische Starkstrommasten und mit einem grünen Anstrich geradezu mit der Natur verschmelzen. Gleiches gilt dank Ätherfärbung für die langlebigen Tragseile. Das wichtigste: bis dato sind in der Firmengeschichte keinerlei Unfälle zu verzeichnen gewesen!

Das Leipziger Unternehmen nimmt die Bad Harzburger Schwebebahn als Grundlage und führt folgende Berechnung an: 35 000 RM Betriebskosten (u.a. Personalkosten, Strom, Wartung und Unterhaltung, Reklame usw.) stehen knapp 80 000 RM jährlichen Einnahmen gegenüber. Es wird dabei von 80 000 Rückfahrkarten, 50 000 Bergfahrten, 25 000 Talfahrten, Frachten sowie Postkartenverkäufen ect. ausgegangen.

Zwei mit elektrischem Licht ausgestattete Kabinen fahren im Pendelverkehr, d.h. bei Abgang des einen Wagens talwärts verlässt gleichzeitig der andere Wagen die Station bergwärts. Während der Fahrt, bei der bis zu 20 Personen transportiert werden können, ist ein Öffnen der Türen nicht möglich. Jede Bahn verfügt außerdem über ein Hilfszugseil mit besonderem Antrieb und Motor; ferner ein Telefon sowie einen Notdruckknopf. Regelmäßige Wartungsarbeiten sind durch Revisionsfahrten abgedeckt. Die Beanspruchung des Geländes einer solchen Bahn sei extrem gering und geräuscharm.

All diese genannten Vorzüge und Zugewinne sollten doch zur Anschaffung eines solchen Vehikels überzeugen! Allein - das Fehlen irgendwelcher Seilbahnen im Stadtbild nimmt die Antwort des Stadtrates vorweg: die Zustimmung der Veröffentlichung wird versagt, da zur Errichtung einer Schwebebahn keinerlei Bedürfnis besteht und diese eine Verschandlung der Lößnitzhöhen bedeuten würde, überdies wird die Stadtverwaltung die Aufschließung des Hinterlandes auf geeignetere Art zu lösen wissen.

Schade eigentlich.

Maren Gündel, Stadtarchiv

Erschienen in: Amtsblatt August 2015