Gerhart Hauptmann

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Gerhart Hauptmann

Über den Stellenwert des Elblandes im facettenreichen Leben von Gerhart Hauptmann

"In der Lößnitz liegt der köstliche Landsitz Hohenhaus, dort fand ich meine Braut []"

Das lebenslange innere Band des großen deutschen Schriftstellers zum Elbland wurde bereits im Knabenalter fest geknüpft, als der kleine Gerhart zum ersten Mal nach Dresden kam. In der kindlichen Seele wurde ein Anker gesetzt, der ihn auch später, trotz vieler Umbrüche, immer wieder an die Elbe zurückführen wird. Am 15. November feiern Literaturfreunde seinen 150. Geburtstag.
Die Liebe war es, welche Gerharts Schritte nach Radebeul lenkte. Jedoch waren es noch nicht seine eigenen Gefühlswallungen, sondern die seines Bruders Georg, der Adele Thielemann, Tochter des reichen Wollgroßhändlers Berthold Thienemann, zu heiraten gedachte. Der noch junge Dichter widmete dem Brautpaar ein Festspiel: "Liebesfrühling". Es wurde September 1881 eigens auf dem Familiensitz, dem Hohenhaus, vor dem Festpublikum inszeniert. Die erste Uraufführung eines Stückes von Gerhart Hauptmann geschah damit in Radebeul!

Ein weiteres, zartes Liebesband wurde geflochten. In Marie Thienemann fand Gerhart eine Vertraute und Förderin seiner künstlerischen Neigungen. Wohl schon während der Proben zum Liebesfrühling verliebte er sich in die "dunklen Augen im weißen Oval des Gesichts" (2), denn die heimliche Verlobung fand 5 Tage nach der Trauung von Georg und Adele statt. Dank ihrer geistigen und materiellen Unterstützung vermochte er sich nun ganz allein auf sein künstlerisches Talent zu konzentrieren bzw. galt es herauszufinden, in welche Richtung sich dieses überhaupt entwickeln sollte. Eine Geniereise nach Rom sollte seiner Begabung eine klare Ausformung offenbaren, und zunächst schien es, er würde sich der Bildhauerei verschreiben. Auch die Zeichenkunst war ein Probierfeld. Bei der Hochzeit von Bruder Carl mit Martha Thienemann gab es mit dem Hochzeitszug erneut eine Darbietung von Gerharts Bühnenkunst und die Liebe zur Literatur kristallisierte sich mehr und mehr heraus. Im Hohenhaus fand er die nötige Muse, sein Jugendwerk Das Erbe des Tiberius zu beenden. Der Grundstein zur Schreiberei war damit endgültig gelegt, und schlug sich direkt nieder im Frühwerk Die Jungfern vom Bischofsberg, welches eindeutig die Thienemann'schen Töchter beschreibt.

Im Herbst 1884 feierten Marie und Gerhart Verlobung und im Mai 1885 Hochzeit in Kötzschenbroda. Leider musste die Familie das Hohenhaus aufgeben. Später wird es immerhin zeitweise das Hauptmann-Archiv beherbergen. In Ermangelung eines Besitzes besann sich Gerhart eines Ortes, an welchem sein kindliches Herz Jahre zuvor Augenblicke erlebte, die er zu den glücklichsten seines Lebens zählte. So fand das Hochzeitsessen im Belvedere der Brühlschen Terrasse statt. Anschließend packte das junge Ehepaar die Koffer und verließ das Elbland - jene Region, welche einem ungefestigten und unsicheren Gerhart Hauptmann sein wahres Talent entdecken ließ.

Leider war seiner Ehe mit Marie kein ebensolcher Glanz beschieden. Er entflammte für Margarete Marschalk, verließ die Familie und bezog mit der Geliebten ein Anwesen in Agnetendorf. Dennoch zog ihn sein Herz oft nach Dresden und die Elbe, wo er Marie ein Haus als Absicherung errichten ließ. Hin und wieder schwankte er in seinem Entschluss, die Trennung dauerte letztendlich 10 Jahre und noch eine Dekade später starb Marie - an gebrochenem Herzen, wie Sohn Eckart einst sinnierte. Selbst danach vermochte sich Gerhart nicht von der Stadt seiner schönsten Jugendgefühle lösen, den Bombenangriff in der Nacht vom 13. Februar 1945 erlebte er persönlich vom Weißen Hirsch aus. Am Boden zerstört kehrte er nach Agnetendorf zurück, wo er am 06. Juni 1946 verstarb.

Die Schreibkunst ließ Gerhart in Berlin zu einem der größten Naturalisten avancieren, und bekrönt wurde der erfolgreiche Dichter schließlich mit dem Nobelpreis, der ihm vor genau 100 Jahren verliehen wurde. In Radebeul war es, wo Lebensweg und Kunstambition des Schriftstellers die schicksalhaften Impulse bekamen.

Maren Gündel, Stadtarchiv

Quellen: Gerhart Hauptmann: Erinnerungen an Sachsen (1), Das Abenteuer meiner Jugend (2); Manfred Altner: Gerhart Hauptmann in Dresden und Radebeul, Dresden 2003.

Erschienen in: Amtsblatt Radebeul im November 2012