Wilhelmine Heimburg

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Wilhelmine Heimburg

Eine der erfolgreichsten Schriftstellerinnen der Lößnitz

Ein trautes Heim beteuert Glück, eine trutzige Burg verspricht Sicherheit, und der deutsche Kaiser steht für Stabilität: diese fürsorglichen Konzepte vermischen sich zum Pseudonym 'Wilhelmine Heimburg'. Dahinter verbarg sich die Schriftstellerin Bertha Behrens, die mit ihren erstklassigen Unterhaltungsromanen zu einer der meistgelesenen weiblichen Autoren avancierte. Obwohl sie bereits am 09. September vor 100 Jahren in Radebeul verstarb, werden ihre Bücher noch immer verlegt. Wohl wegen ihrer Herkunft aus dem Bürgertum wurden ihre Werke später unter dem Stempel der Trivialliteratur abgewertet, zu Unrecht, betrachtet man sich die Themenwahl und auch die Verkaufszahlen. Wäre sie eine Adlige gewesen, hätte das Urteil der Germanisten sicherlich anders ausgesehen.(1)

Am 07. September 1848 erblickte Elisabeth Margarethe Ruth Bertha Behrens in Thale (Harz) das Licht der Welt. Da ihr Vater Hugo Behrens als Militärarzt ständig umziehen musste, ließ sich die Familie an verschiedenen Orten Deutschlands nieder. In Quedlinburg besuchte Bertha die Schule, weiter ging es beispielsweise nach Salzwedel oder Frankfurt am Main, und zuletzt nach Radebeul. In Arnstadt aber fügte es sich, dass die Familie in direkter Nachbarschaft Eugenie Marlitt (eigentlich Eugenie John) Quartier bezog. Diese bekannte Schriftstellerin wurde das große Vorbild Berthas, die bereits in bescheidener Auflage mit ihrer Verfassertätigkeit begonnen hatte. Ebenso wie bei der Marlitt entlarven die Heimburg'schen Texte die herrschende Doppelmoral des Adels. Einerseits behandeln die Aristokratinnen ihre Untergebenen schlecht, andererseits mahnen sie sittlich-moralisches Handeln an.
Erste schriftstellerische Erfolge feierte Wilhelmine Heimburg mit der Novelle "Melanie" (1876). Der darauffolgende Roman "Aus dem Leben meiner alten Freundin" (1878) fand sogleich in der "Magdeburger Zeitung" als Fortsetzungsroman Platz, nachdem er von der damals auflagenstärksten Freizeit-Illustrierten abgelehnt worden war. Doch ob des großen Erfolges besannen sich die Leipziger Herausgeber und luden die Heimburg zu einer ständigen Autorenschaft ein. Bis zu ihrem Tode veröffentlichte sie daher in der "Gartenlaube" Romane und ganze Novellen-Zyklen. Ihre Beiträge wurden nicht gelesen, sie wurden verschlungen - sogar mehrmals und nicht nur von Frauen, wie Theodor Fontane etwas pikiert seine Frau in einem Brief wissen ließ.

1881 lässt sich Familie Behrens schließlich in Kötzschenbroda nieder und logiert in einem Haus auf der Gartenstraße 6 (heutige Hermann-Ilgen-Straße 21); der Namenszug VILLA HEIMBURG an der Hauswand bezeugt heute noch die einstigen Bewohner. Von hier aus beginnt Berthas literarischer Siegeszug, von dessen Erlös sie sich 1888 eine Stadtwohnung in Dresden mietet.

1910 erwirbt sie das Anwesen auf der Borstraße 15 und auch hier künden die Lettern HEIMBURG von der ehemaligen Besitzerin. In unmittelbarer Nähe lebte sie hier zu dem anderen Radebeuler Bestseller-Autoren, nämlich Karl May, mit dem sie die Fähigkeit vereint, die Phantasie ihrer Leser zu beflügeln. Ihren größten Erfolg markiert der Roman "Lumpenmüllers Lieschen". Wilhelmine Heimburg schrieb allerdings keine wilden Abenteurromane, sondern richtete ihr Augenmerk auf die Sorgen und Nöte der Frau. Dabei verfällt sie keiner Klischeebeschreibung, vielmehr interessiert sie das Einzelschicksal in all seinen Facetten. Ihr Schriftstellerherz schlägt für diejenigen, denen Unrecht widerfährt, für die Ausgegrenzten und Unterprivilegierten. Dabei folgt sie ihrem Idol Eugenie Marlitt, deckt die Verhältnisse zwischen verarmten Adel und aufstrebenden Industriefamilien auf, und zeigt deutlich, wie überflüssig überkommene Klassenschranken sind. Damit traf sie den Nerv tausender LeserInnen.
Die zeitlosen Themen von Toleranz und Fortschritt, von Gerechtigkeit und Moral führten zu einer fortlaufenden Publikation ihrer Worte, die sogar in andere Sprachen übersetzt wurden und so nie verhallten - bis heute nicht.

Maren Gündel, Stadtarchiv


(1) Altner, Manfred: Wilhelmine Heimburg. Mit Liebe und Charme gegen Standesdünkel, in: Sächsische Lebensbilder. Literarische Streifzüge durch die Lößnitz, die Lausitz, Leipzig und Dresden, Radebeul 2001, S. 26-32.
(2) Stadtarchiv Radebeul, Sammlung S 16-01

Erschienen in: Amtsblatt Radebeul im September 2012