Was sind wir für ein Volk? Für ein offenes Miteinander und 80 Jahre vereinigtes Radebeul

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Was sind wir für ein Volk? Für ein offenes Miteinander und 80 Jahre vereinigtes Radebeul

Was für ein Volk sind die Sachsen denn eigentlich? Die Sachsen sind ein Volk entstanden durch Einwanderung und Zusammenleben! Ohne diese lange Tradition konstanter Zuwanderung und Besiedelung würde es den uns bekannten Freistaat mit seinem Reichtum an historischen Schätzen, an vielfältiger Kultur oder an mittelständigen Wirtschaftsunternehmen nicht geben.

Ursprünge frühester Besiedelung reichen dabei auf einen Stamm aus dem Böhmischen zurück. Danach wanderten die Germanen von Norden her ein und verschmolzen mit diesem zum Volksstamm der Hermunduren. Als nächstes kamen die slawisch-stämmigen Sorben aus Osteuropa. Keiner dieser Ethnien hatte Eroberungsziele im Sinn, vielmehr lebte man in einem symbiotischen Prozess gegenseitigen Zusammenwachsens. Die Vielzahl sorbischer Burgen, einige existieren heute noch, zeugt außerdem von deren politischen Vormachtstellung als einheitliches Volks- und Sprachgebiet. Zwar wurden die Sorben schließlich von den Deutschen erobert und annektiert, wodurch sie ihr politisches Gewicht verloren, doch "das sorbische Volksleben ist von den deutschen Burgbesatzungen offensichtlich nicht gestört worden." Auch die sorbische Wirtschafts- und Sozialordnung blieb erhalten. In diesem gemeinsamen Gespann gegenseitiger Angleichung erwuchs sich in Sachsen eine erste Blütezeit in Wirtschaft, Handel und Kultur. Gleichsam markierte das den Startschuss für eine jahrhundertelang anhaltende Zuwanderung verschiedenster und den Charakter des Landes bis ins 19. Jh. hinein prägender Bevölkerungsteile sowohl aus umliegenden Territorien als auch von weiter her. Deren Bedeutung ist nicht nur für die Landwirtschaft oder die Erschließung des Bergbaus enorm gewesen, sondern insbesondere auch für die urbane Entwicklung und die Ausprägung von Handel und Handwerk.

In der zweiten Hälfte des 19. Jh. riss der Zuwandererstrom in die prosperierenden Städte und Gemeinden nicht ab, genauso wenig wie nach dem Zweiten Weltkrieg (an dessen ENDE dieses Jahr zum 70. Mal erinnert wird) und Sachsen profitierte davon in beiden Fällen außerordentlich: "Die mit diesen unterschiedlichen Bevölkerungsteilen neu in das Land gebrachten wirtschaftlichen, sozialen und geistig-kulturellen Anregungen haben in entscheidendem Maße die gesellschaftliche Entwicklung beeinflusst und mitgeprägt."

Zu Gemeinschaft und dem Ablegen von Ressentiments mussten sich auch vor 80 Jahren die Lößnitzbewohner bewegen. Kötzschenbrodaer, die sich von den Radebeulern vereinnahmt fühlten, vermeintlich bedroht ihre angestammte Identität zu verlieren. Heute stellt kein Mensch mehr den Zusammenschluss der beiden verbliebenen Lößnitzortschaften zu einem vereinigten Radebeul in Frage. Ergebnis eines längst abgeschlossenen Fusionsprozesses. Das Leben ist Veränderung. Stagnation führt zu Verfall.

Maren Gündel, Stadtarchiv


Quelle: Sächs. Landeszentr. f. polit. BILDUNG

Erschienen in: Amtsblatt Radebeul, Februar 2015