Eine Zeitreise mit Richard Wagner

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Eine Zeitreise mit Richard Wagner

Das Jubiläumsjahr 1913 im Spiegel der regionalen Presse

Richard Wagner! Sein Name ist dieses Jahr Programm. Musikhäuser, Museen, Kulturmedien - alle feiern den 200. Geburtstag des streitbaren, aber zweifellos großen Genies mit einer Flut an Jubiläumsangeboten, die schier überwältigend scheint. Da stellt sich doch die Frage, ob Opernliebhaber bereits anlässlich seines 100. Ehrentages in einen ähnlich ausgiebigen Freudentaumel verfielen. Und man kann sagen: ja, das taten sie. Darüber legen die damaligen Tageszeitungen, das Radebeuler Tageblatt sowie der Kötzschenbrodaer Generalanzeiger, wortreich Zeugnis ab. Begeben wir uns also auf eine kleine Zeitreise in den Blätterwald vom Mai 1913.

Zunächst erfährt der Leser etwas über Wagners wendungsreichen Werdegang. Geboren wurde er am 22. Mai 1813 in Leipzig, doch bereits ein Jahr später siedelte sich die Familie in Dresden an. Die Elbresidenz wird von nun an in seinem Leben eine bedeutende Rolle spielen. Hier kam ihm für viele seiner Werke eine tatkräftige Förderung zugute oder zumindest fand er hier erste Anregungen für spätere Ausführungen. Auch hielt er engen Kontakt zum einflussreichen Carl Maria von Weber; der 'Freischütz' sollte dem jungen Wagner dabei wie ein Moment der Offenbarung wirken. In Dresden besuchte das angehende Musiktalent die Kreuzschule, für seine Gabe werden die Weichen gestellt. 15-jährig kehrte er nach Leipzig zurück.1 Hier studierte er Musik, wobei jedoch eher der enge Kontakt zum Thomas-Kantor Weinlig dafür sorgte, der Klangwelt noch mehr Geheimnisse zu entlocken. Mit Erfolg, denn bereits 18-jährig veröffentlichte Wagner beachtenswerte Sonaten und mit 20 seine erste Oper. Doch trotz dieser Leistungen und Anstellungen als Theaterkapellmeister in Königsberg und Riga ließen wirtschaftliche Unabhängigkeit und Anerkennung auf sich warten - im Gegenteil, es folgten Jahre der Wanderschaft, des Hungers und der Flucht vor seinen Gläubigern. Besonders für seine Gemahlin Minna muss dies eine Tortur gewesen sein. Es wundert nicht, dass das Eheglück diesen Zuständen nicht ewig standhalten wird. "Doch da klang in die Zeit schwerster seelischer Depression eine Siegesbotschaft: 'Rienzi' war in Dresden zur Uraufführung angenommen. Ein glänzender Erfolg lohnte den über Nacht berühmt gewordenen Meister."2 Wagners Glanzzeit in der Residenzstadt wird schließlich fortgeführt durch die Berufung zum Königlich Sächsischen Hofkapellmeister und der ebenso gefeierten Uraufführung seiner Oper 'Der Fliegende Holländer'. Daneben entstehen hier die Werke 'Tannhäuser' und 'Lohengrin', die nicht wenig zu Wagners Gloria beigetragen haben. Doch "nichts ist trügerischer, als die Wogen des Erfolges jungen Ruhmes."2 Der politisch revoltierende Musiker schloss sich 1849 dem Maiaufstand an, wird in der Folge steckbrieflich gesucht und muss erneut die Flucht antreten. Erst 13 Jahre später wird ihm eine Wiederkehr nach Sachsen bewilligt.

Inzwischen ist Wagner mit seinen ausgezeichneten Musikschöpfungen zu einem weithin bejubelten Tonkünstler avanciert. Wie es wohl aussah, wenn er jene Kreationen verfertigte, die ihm Weltruhm einbrachten? Der General-Anzeiger weiß es ganz genau. Wagner habe einst geschrieben, für die perfekten Arbeitsbedingungen "muss (ich) irgendwie mich geschmeichelt fühlen, wenn meinem Geiste das blutigschwere der Bildung einer unvorhandenen Welt gelingen soll." Heißt im Klartext, es darf an einem gewissen Maße der Behaglichkeit nicht fehlen. "Dann hüllte er sich in seinen seidenen Schlafrock", denn es geruhte ihm "seine Muse im Festkleide zu empfangen". Die künstlerische Produktion war ihm "ein priesterlicher Akt". Wehe dem, ein Störenfried klopfte da an seine Tür. Dem konnte es schon mal passieren, war er wieder auf der Straße, vom Balkon her ein ekstatisches "Stören Sie mich jetzt nicht, ich bin in Brunst!" hinterher gerufen zu bekommen. Aber auch solch ein musikalisches Genie war nicht frei von Ängsten. Erwartungshaltung und Selbstzweifel waren seine ständigen Begleiter, aber auch trieb ihn die Furcht "der Tod könne ihn überraschen und ihm sein Schaffen abschneiden."3

Als Richard Wagner 1883 starb, hinterließ er der Welt ein bedeutendes musikalisches Erbe, welches die Zeiten überdauerte. Im Jubiläumsjahr 1913 fand dazu in Dresden gleich eine ganze Gedenkwoche statt. Neben vielen Musikveranstaltungen und Festreden wurde eine Ehrentafel am ehemaligen Gewerbehaus in der Ostra-Allee angebracht. Auch in München gab es eine große Feierlichkeit mit royaler Präsenz, in deren Verlauf das Wagner-Denkmal eingeweiht wurde. In London erschienen Festartikel. In Bayreuth schließlich gedachte man Richard Wagner mit der Enthüllung einer kostbaren Marmorbüste. Daneben erinnerten so ziemlich "alle größeren deutschen Städte (mit) Grundsteinlegungen, Festakten und Jubiläumsaufführungen" an den Künstler. Nicht zuletzt auch in Radebeul, wo ihm in der Aula des Lößnitzgymnasiums ein Vortrag gewidmet wurde.4

Auch einhundert Jahre später steht das Wagner-Jahr 2013 den breitgefächerten Ehrenvorstellungen in nichts nach.

Maren Gündel, Stadtarchiv

(1) Richard Wagner in Dresden (Dresdner Hefte, Nr. 112, 4/2012); (2) Kötzschenbrodaer Generalanzeiger vom 21. Mai 1913; (3) Kötzschenbrodaer Generalanzeiger vom 20. Mai 1913; (4) Radebeuler Tageblatt vom 22. Mai 1913.

Erschienen in: Amtsblatt Radebeul im Mai 2013